1. Dezember 2012

Ein paar Dutzend Nudelsuppen...

...und einige Kilometer später befinden wir uns im Südwesten der Provinz Hunan, 2 Tage vor Yangshuo, unserem ersten grösseren Etappenziel. Hier findet Ihr die Route bis Km 2162.

Seit wir Hangzhou vor 1 Monat verlassen haben, ist uns kein einziger Nichtchinese/-asiate zu Gesicht gekommen. Wir radeln durch die Provinzen und die an ein Dominospiel erinnernde Kettenreaktion sich stumm oder lachend drehender Gesichter nimmt weiter ihren Lauf. Wir haben uns daran gewöhnt, freuen uns aber sehr auf etwas mehr Anonymität. Die erhoffen wir uns in der Gegend um Yangshuo und Guilin, da sie sehr touristisch sein soll. Abgesehen davon sehen wir das ganze Anstarren aber mit anderen Augen seit eine Teenagerin, die sich mit zittrigen Lippen traute uns nach einem Photo mit ihr und ihren Freundinnen zu fragen, uns sagte: „I am very excited, this is the first time I see a stranger in my life“. Da waren wir beide sprachlos.

Bis auf die Strassengerichte die kommen und gehen, die leicht anderen Gewürze in den Nudelsuppen oder einigen topographischen Varianten war die Strecke, die wir gewählt haben nicht sehr abwechslungsreich. Es scheint, als wären die meisten Städte zur gleichen Zeit und von den gleichen Architekten gebaut worden. Die Anzahl an Strassen, Trottoirs, Hochhäusern, Brücken, Autobahnen und ganzen Quartieren, die überall entstehen ist schwindelerregend. Das dürfte der offensichtliche Teil der grossen Konjunkturprogramme Chinas sein. Für uns bedeutet das immer mal wieder holprige Strassenabschnitte, viele Lastwagen und staubige Luft.


























Ready für den Tunnel






   

War uns das Wetter zu Beginn noch hold, wurden wir in den letzten 3 Wochen öfters mal richtig nass. Der Härtetest unserer Taschen und insbesondere der Regenkleider fiel ernüchternd aus. Goretex hält höchstens die Hälfte des Versprochenen, im wahrsten Sinne des Wortes; unser Laptop hat ziemlich was abbekommen und zeichnet seither lustige Muster über den Bildschirm. Das Innere unserer Taschen zieren nun zahlreiche Plastiksäcke und fast alles haben wir nochmals separat in Ziplocks verpackt. Zudem haben wir uns „schicke“ Regenpelerinen zugelegt, wie sie die Chinesen auf den Elektrorollern und Motorrädern benutzen. Da wo sie vom Winde nicht verweht werden halten sie voll dicht.

   

 

Trocknungsraum







































Unsere Velos haben bis jetzt alles schön mitgemacht, mit Ausnahme von Bruno's Hinterrad. Bereits kurz nach Shanghai begannen sich die Felgenflanken langsam nach aussen zu biegen. Kündigte sich da ein Felgenbruch an? Dabei war die Wandstärke vor der Reise noch sehr hoch. Über die Tage und Wochen wurde der verbogene Teil immer länger und erstreckte sich zu guter Letzt über 5-6 Speichen. So machten wir uns in den Städten jeweils auf die Suche nach einem Ersatzrad und wurden schliesslich in Changting und nach einem Googletranslator-Gespräch fündig. Beim Auswechseln kam dann zum Vorschein, was Ihr unten seht. Der Felgenboden war langsam von Felgenloch zu Felgenloch gebrochen.

Wie lange das noch gut gegangen wäre?



Eines der schönsten Erlebnisse bisher hatten wir dann in Qingliu, einer nicht eben hübschen Stadt in der Provinz Fujian. Nach einem vorzüglichen Fondue chinoise schlenderten wir müde in unser Hotel zurück. In der Lobby erwartete uns eine kleine Empfangsdelegation und ein Herr erklärte uns in leicht verstaubtem, aristokratischem Englisch, dass der Hotelbesitzer Mitglied des örtlichen Veloclubs sei und man uns herzlich in ihrer Stadt willkommen heisse. Sollten wir irgendetwas benötigen, würden Sie sich gerne darum kümmern. Da wir gesättigt und deshalb vorerst rundum zufrieden waren eröffnete er uns, dass des Weiteren der Fahrradclub entschieden habe, insofern dies auch unseren Wünschen entspräche, uns einige Mitglieder zur Seite zu stellen, welche uns bei unserer Weiterreise am nächsten Tage eine gewisse Zeit lang begleiten und den richtigen Weg weisen würden. Erfreut nahmen wir das Angebot an, jedoch nicht ohne darauf hinzuweisen, dass wir aufgrund unseres Gepäcks eher langsam fahren würden. Kein Problem hiess es und in der Tat waren unsere Sorgen unbegründet. Es erwarteten uns keine Rennvelofahrer in windschnittigen Trikots, sondern etwa 10 chinesische Velofreaks mit Mountainbikes; keine Funktionskleider oder Klicks, dafür bunte Helme, lustige Brillen, Plateauschuhe und Lederjacken mit Totenköpfen. Yeah! Einzig der Hotelbesitzer präsentierte sich stolz in einem maillot jaune. Durch die Stadt veranstalteten wir ein kleines critical mass mit viel Hupen und Klingeln und nach gemeinsamen 20km und gefühlten 3000 Photos und Filmchen verabschiedeten wir uns etwas wehmütig von unseren eben erst kennengelernten Velofreunden. Das war das 1. Mal in China, dass wir von Menschen aufgrund einer Gemeinsamkeit angesprochen wurden und wir uns über das Velofahren dazugehörig fühlten. Es war super.

Cycling Club Qingliu

So herzlich das Erlebnis mit den Velofahrern war, so befremdlich erscheint hin und wieder der zwischenmenschliche Alltag. Während einer Abfahrt passierten wir einen Mann, der reglos halb auf der Strasse lag. Nachdem wir gesehen hatten, dass mehrere Autos nicht anhielten, radelten wir zurück und sahen, dass er immerhin noch lebte. Er guckte uns etwas benommen an und bettete seinen Kopf wieder auf die Strasse, wo im Abstand von 2-3 Metern die Lastwagen an ihm vorbei donnerten. Wir gestikulierten wild als 2 Polizeiautos unabhängig voneinander vorbeifuhren. Keines der beiden bremste beim Anblick des Körpers am Boden auch nur leicht ab. Von einigen Anwohnern beobachtet und mit einem flauen Gefühl im Magen fuhren wir weiter.

Auch Mona hat die etwas andere Hilfsbereitschaft gleich selbst erlebt. Nachdem sie in einer Stadt von einem Roller freundlich abgedrängt worden war, nicht mehr aus den Klicks raus konnte und so bald mitten auf der Strasse unter ihrem Velo lag, guckten die Passanten stumm zu, während der Verkehr sich prompt und seelenruhig um das neue Hindernis schlängelte. Keine helfende Hand weit und breit. Hm.

Obwohl wir so ab und zu den Kopf schütteln oder leer schlucken, überwiegen dennoch die positiven Erlebnisse. So bestellten wir uns vor 3 Tagen während der bisher härtesten Etappe nach 80 km und 1200 Höhenmetern 2 Nudelsuppen für die restlichen 30km des Tages. Uns wurde eine gigantische Schüssel aufgetischt, die wir beim besten Willen nicht leer essen konnten. Und wir können viel essen. Als wir bezahlen wollten, winkte die Köchin entschieden ab und wünschte uns (wahrscheinlich) eine gute Weiterfahrt. 
Gestern endete ein Besuch in einem Veloladen zum Kauf von Bremsbelägen damit, dass der Englisch sprechende Inhaber kurzerhand seinen Laden schloss und uns auf eine Stadtrundfahrt mitnahm. Nach der Rückkehr zum Shop gab es eine kleine Teezeremonie und wir wurden zum Znacht eingeladen. Es gab gefüllte Peperoni, scharfe Pilze, saftigen Speck, knackigen Rettich und Reis. Köstlich!

Abendessen mit Zeng und seiner Oma


Und hier noch ein paar weitere Eindrücke:




"bewaffneter" Bauer




Nudeltrocknung


Das etwas andere Mahnmal


Zu schwer für den Strassenpfosten


Kartonsammlung


Hühnertransport




Verpflegungspause auf dem Markt






Wir haben übrigens in den meisten Hotelzimmern - zum Zelten sind wir zu warmduschig, es ist kalt, nass und wird um spätestens 6 Uhr dunkel - Internet, d.h. wir freuen uns sehr über Mails von Euch und werden sie auch beantworten können. 
Was es übrigens auch gibt in den meisten Hotels sind Karaokelounges mit sehr lauten Boxen. Und die sind immer unter unserem Zimmer.


4. November 2012

Die ersten Velotage

Link: Kartenansicht der Route bis km 737 

So, nun sind wir also seit 3 Wochen in China. Die ersten Tage verbrachten wir in Shanghai, sind mittlerweilen aber bereits einige Hundert Kilometer on the road. Diese sind mal verstopft mit hupenden Bussen, Taxis, Edelkarossen, Elektroscootern, urtümlichen dreirädrigen Lastenvelos im Schleichgang und natürlich einer Menge Fussgänger, mal präsentieren sie sich als ruhige Wege durchs Hinterland und werden zum Trocknen der Ernte benutzt. Fuhren wir zu Beginn durch endlose Vororts- und Industrielandschaften, in welchen die Sonne kaum je durch die Smognebeldecke drang, befinden wir uns seit ein paar Tagen inmitten grüner Berg- und Tallandschaften mit vielen Anbauflächen und Wäldern.



Shanghigh
    


Elektrozweisitzer
      


Getreidetrocknung
   








Seit wir ausserhalb irgendwelcher Metropolen sind, werden wir regelrecht angestarrt. So muss es sich anfühlen mit grünem Gesicht und 2 Antennen auf dem Kopf. Winken wir den Leuten zu, ernten wir meist ein freundliches Grüssen und/oder ein Kichern. Bereits mehrere Male wollten wildfremde Leute gar ein Photo von uns mit ihnen.
Richtig spannend wird es dann, wenn wir zu kommunizieren versuchen. Zücken wir unseren China-Riegel (Faltkärtchen mit Fragen und Antworten zum Zeigen), dann ist Showtime angesagt. Im Nu stehen 5-10 Leute um uns herum, erklären uns etwas, blättern im Riegel und diskutieren gemeinsam. Die ursprüngliche Frage geht darob öfters mal verloren, aber ohnehin ist das mit dem Verstehen der Antworten so eine Sache. Funktioniert das Sprechen nicht - und es funktioniert nicht - dann schreiben uns die Leute chinesische Schriftzeichen auf. Ehm, leider nein. Meist geht es dann irgendwie mit Händen und Füssen und bisher haben wir stets ein Bett gefunden und meist gut gegessen.

Frisches Fladenbrot mit Zwiebelkräuterfüllung von der Strasse
 


   
  


Ein paar Dinge aus dem etwas anderen Alltag

Der Umgang mit Tieren scheint eine grosse Bandbreite zu haben: Einer stülpt dem geliebten Hundi rosa Turnschuhe über, um die Ecke wird ein wilder Hund mit einer Schlinge gefangen und landet jaulend im Sack.
Im Supermarkt erhält der Kunde ein Netz, um sich den gewünschten Fisch gleich selber aus dem Aquarium zu angeln. Der landet dann in einer Plastiktüte und der Fischverkäufer holt den grossen Knebel...
Wenn sie nicht gerade durch die Hotellobby gackern, wird von den Hühnern so ziemlich alles gegessen. Hühnerfüsse zum Knabbern gefällig?
Einige Chinesinnen haben eine Vorliebe für rosarote Plüschpyjamas und tragen die Dinger auch stolz zur Schau: am helllichten Tag und mitten in der Stadt.
In der U-Bahn beschimpfen sich wildfremde Leute und auf dem Dorfmarkt prügeln sich auch mal die Frauen.
Der blinde Akupresseur in Hangzhou hat während dem 1-stündigen Behandeln (Foltern?) ab und zu eine Zigarette geraucht und glucksend gekichert wenn er den schmerzenden Punkt gefunden hatte.
Die Müllabfuhr ruft die Leute mit einer scheppernden Endlosschlaufe von „Happy Birthday to You“ auf die Strasse.
Schneuzen im Supermarkt? Kein Problem, in sportlicher Manier ohne Papier auf den Boden. 


Der Anfang war ganz schön anstrengend, vorallem aufgrund der schwierigen Kommunikationsverhältnisse. Da die meisten Menschen aber sehr neugierig, freundlich und hilfsbereit sind, ist das kein Problem mehr und wir fühlen uns bereits sehr wohl in China.









Smog in Shanghai
  

Und wo lang jetzt?
  






































Hühner im Hotel
  

























;-)
  




 









         































1. Oktober 2012

Next Stop: Shanghai

Am 16. Oktober landen wir um 7h früh in Shanghai.

Und dann geht's los.

wer's glaubt...