Seit wir
Hangzhou vor 1 Monat verlassen haben, ist uns kein einziger
Nichtchinese/-asiate zu Gesicht gekommen. Wir radeln durch die Provinzen
und die an ein Dominospiel erinnernde Kettenreaktion sich stumm oder
lachend drehender Gesichter nimmt weiter ihren Lauf. Wir haben uns
daran gewöhnt, freuen uns aber sehr auf etwas mehr Anonymität. Die
erhoffen wir uns in der Gegend um Yangshuo und Guilin, da sie sehr
touristisch sein soll. Abgesehen davon sehen wir das ganze Anstarren aber
mit anderen Augen seit eine Teenagerin, die sich mit zittrigen Lippen
traute uns nach einem Photo mit ihr und ihren Freundinnen zu fragen,
uns sagte: „I am very excited, this is the first time I see a
stranger in my life“. Da waren wir beide sprachlos.
Bis
auf die Strassengerichte die kommen und gehen, die leicht anderen
Gewürze in den Nudelsuppen oder einigen topographischen Varianten war
die Strecke, die wir gewählt haben nicht sehr abwechslungsreich. Es
scheint, als wären die meisten Städte zur gleichen Zeit und von den
gleichen Architekten gebaut worden. Die Anzahl an Strassen,
Trottoirs, Hochhäusern, Brücken, Autobahnen und ganzen Quartieren,
die überall entstehen ist schwindelerregend. Das dürfte der
offensichtliche Teil der grossen Konjunkturprogramme Chinas sein. Für
uns bedeutet das immer mal wieder holprige Strassenabschnitte, viele
Lastwagen und staubige Luft.
Ready für den Tunnel |
War uns das Wetter zu Beginn noch hold, wurden wir in den letzten 3 Wochen öfters mal richtig nass. Der Härtetest unserer Taschen und insbesondere der Regenkleider fiel ernüchternd aus. Goretex hält höchstens die Hälfte des Versprochenen, im wahrsten Sinne des Wortes; unser Laptop hat ziemlich was abbekommen und zeichnet seither lustige Muster über den Bildschirm. Das Innere unserer Taschen zieren nun zahlreiche Plastiksäcke und fast alles haben wir nochmals separat in Ziplocks verpackt. Zudem haben wir uns „schicke“ Regenpelerinen zugelegt, wie sie die Chinesen auf den Elektrorollern und Motorrädern benutzen. Da wo sie vom Winde nicht verweht werden halten sie voll dicht.
Trocknungsraum |
Unsere Velos haben bis jetzt alles schön mitgemacht, mit Ausnahme von Bruno's Hinterrad. Bereits kurz nach Shanghai begannen sich die Felgenflanken langsam nach aussen zu biegen. Kündigte sich da ein Felgenbruch an? Dabei war die Wandstärke vor der Reise noch sehr hoch. Über die Tage und Wochen wurde der verbogene Teil immer länger und erstreckte sich zu guter Letzt über 5-6 Speichen. So machten wir uns in den Städten jeweils auf die Suche nach einem Ersatzrad und wurden schliesslich in Changting und nach einem Googletranslator-Gespräch fündig. Beim Auswechseln kam dann zum Vorschein, was Ihr unten seht. Der Felgenboden war langsam von Felgenloch zu Felgenloch gebrochen.
Wie lange das noch gut gegangen wäre? |
Eines der schönsten Erlebnisse bisher hatten wir dann in Qingliu, einer nicht eben hübschen Stadt in der Provinz Fujian. Nach einem vorzüglichen Fondue chinoise schlenderten wir müde in unser Hotel zurück. In der Lobby erwartete uns eine kleine Empfangsdelegation und ein Herr erklärte uns in leicht verstaubtem, aristokratischem Englisch, dass der Hotelbesitzer Mitglied des örtlichen Veloclubs sei und man uns herzlich in ihrer Stadt willkommen heisse. Sollten wir irgendetwas benötigen, würden Sie sich gerne darum kümmern. Da wir gesättigt und deshalb vorerst rundum zufrieden waren eröffnete er uns, dass des Weiteren der Fahrradclub entschieden habe, insofern dies auch unseren Wünschen entspräche, uns einige Mitglieder zur Seite zu stellen, welche uns bei unserer Weiterreise am nächsten Tage eine gewisse Zeit lang begleiten und den richtigen Weg weisen würden. Erfreut nahmen wir das Angebot an, jedoch nicht ohne darauf hinzuweisen, dass wir aufgrund unseres Gepäcks eher langsam fahren würden. Kein Problem hiess es und in der Tat waren unsere Sorgen unbegründet. Es erwarteten uns keine Rennvelofahrer in windschnittigen Trikots, sondern etwa 10 chinesische Velofreaks mit Mountainbikes; keine Funktionskleider oder Klicks, dafür bunte Helme, lustige Brillen, Plateauschuhe und Lederjacken mit Totenköpfen. Yeah! Einzig der Hotelbesitzer präsentierte sich stolz in einem maillot jaune. Durch die Stadt veranstalteten wir ein kleines critical mass mit viel Hupen und Klingeln und nach gemeinsamen 20km und gefühlten 3000 Photos und Filmchen verabschiedeten wir uns etwas wehmütig von unseren eben erst kennengelernten Velofreunden. Das war das 1. Mal in China, dass wir von Menschen aufgrund einer Gemeinsamkeit angesprochen wurden und wir uns über das Velofahren dazugehörig fühlten. Es war super.
Cycling Club Qingliu |
So herzlich
das Erlebnis mit den Velofahrern war, so befremdlich erscheint hin
und wieder der zwischenmenschliche Alltag. Während einer Abfahrt
passierten wir einen Mann, der reglos halb auf der Strasse lag.
Nachdem wir gesehen hatten, dass mehrere Autos nicht anhielten,
radelten wir zurück und sahen, dass er immerhin noch lebte. Er
guckte uns etwas benommen an und bettete seinen Kopf wieder auf die
Strasse, wo im Abstand von 2-3 Metern die Lastwagen an ihm vorbei
donnerten. Wir gestikulierten wild als 2 Polizeiautos unabhängig
voneinander vorbeifuhren. Keines der beiden bremste beim Anblick des Körpers am
Boden auch nur leicht ab. Von einigen Anwohnern beobachtet und mit
einem flauen Gefühl im Magen fuhren wir weiter.
Auch Mona
hat die etwas andere Hilfsbereitschaft gleich selbst erlebt. Nachdem
sie in einer Stadt von einem Roller freundlich abgedrängt worden
war, nicht mehr aus den Klicks raus konnte und so bald mitten auf der
Strasse unter ihrem Velo lag, guckten die Passanten stumm zu, während
der Verkehr sich prompt und seelenruhig um das neue Hindernis
schlängelte. Keine helfende Hand weit und breit. Hm.
Obwohl wir
so ab und zu den Kopf schütteln oder leer schlucken, überwiegen
dennoch die positiven Erlebnisse. So bestellten wir uns vor 3 Tagen
während der bisher härtesten Etappe nach 80 km und 1200 Höhenmetern
2 Nudelsuppen für die restlichen 30km des Tages. Uns wurde eine
gigantische Schüssel aufgetischt, die wir beim besten Willen nicht
leer essen konnten. Und wir können viel essen. Als wir bezahlen
wollten, winkte die Köchin entschieden ab und wünschte uns
(wahrscheinlich) eine gute Weiterfahrt.
Gestern endete ein Besuch in einem Veloladen zum Kauf von Bremsbelägen damit, dass der Englisch sprechende Inhaber kurzerhand seinen Laden schloss und uns auf eine Stadtrundfahrt mitnahm. Nach der Rückkehr zum Shop gab es eine kleine Teezeremonie und wir wurden zum Znacht eingeladen. Es gab gefüllte Peperoni, scharfe Pilze, saftigen Speck, knackigen Rettich und Reis. Köstlich!
Gestern endete ein Besuch in einem Veloladen zum Kauf von Bremsbelägen damit, dass der Englisch sprechende Inhaber kurzerhand seinen Laden schloss und uns auf eine Stadtrundfahrt mitnahm. Nach der Rückkehr zum Shop gab es eine kleine Teezeremonie und wir wurden zum Znacht eingeladen. Es gab gefüllte Peperoni, scharfe Pilze, saftigen Speck, knackigen Rettich und Reis. Köstlich!
Abendessen mit Zeng und seiner Oma |
Und hier noch ein paar weitere Eindrücke:
"bewaffneter" Bauer |
Nudeltrocknung |
Das etwas andere Mahnmal |
Zu schwer für den Strassenpfosten |
Kartonsammlung |
Hühnertransport |
Verpflegungspause auf dem Markt |
Wir
haben übrigens in den meisten Hotelzimmern - zum Zelten sind wir zu
warmduschig, es ist kalt, nass und wird um spätestens 6 Uhr dunkel -
Internet, d.h. wir freuen uns sehr über Mails von Euch und werden
sie auch beantworten können.
Was es übrigens auch gibt in den meisten Hotels sind Karaokelounges mit sehr lauten Boxen. Und die sind immer unter unserem Zimmer.
Was es übrigens auch gibt in den meisten Hotels sind Karaokelounges mit sehr lauten Boxen. Und die sind immer unter unserem Zimmer.